Reichsbürger*innen in Hildesheim

In diesem Artikel wollen wir uns dem Spektrum der Reichsbürger widmen und beleuchten, welche Strukturen und Personen in Hildesheim eine Rolle spielen. Die vorgestellten Gruppen eint die gemeinsame Vorstellung das deutsche Kaiserreich würde in seinen Grenzen und Gesetzen der Reichsgründung von 1871 bzw. 1937 weiter bestehen. Sie lehnen die Gesetze und Verfassung der Bundesrepublik konsequent ab und bedienen sich Ideologieelementen des Monarchismus, Geschichtsrevisionismus, Antisemitismus, Rassismus, Esoterik und der Holocaustleugnung. Die Szene der Reichsbürger gilt als zerplittert und die Organisierung findet in kleineren sektenähnlichen Strukturen statt. Im Folgenden sollen die uns bekannten Hildesheimer Ableger vorgestellt werden.

Querdenker

Michael Fritsch als Kandidat für die Querdenken Partei „Die Basis“ zur Bundestagswahl 2021
Foto: Alfelder Zeitung

Der aktuell wohl aktivste Teil an Reichsbürgern in Hildesheim kommt aus der Querdenken Szene. Einzelpersonen und lose Zusammenschlüsse von Verschwörungsideolog*innen steigerten sich im Laufe der Corona Pandemie in eine Welt der falschen Tatsachen und Verschwörungsmythen. So fällt der in Hildesheim verbliebene Rest der Pandemieleugner durch immer extremere Inhalte rechten, esoterischen und antidemokratischen Gedankenguts auf. Die wohl bekannteste Führungsfigur ist der Alfelder Ex-Polizist Michael Fritsch, welcher für die Querdenken Partei „Die Basis“ auf Listenplatz 1 in Niedersachsen für den Bundestag kandidierte. Auch bei ihm konnte eine zunehmende Radikalisierung vom Querdenker hin zum Reichsbürger beobachtet werden, bis er schließlich im Rahmen der bundesweiten Razzien mehrerer Geheimdienste zur Reichsbürgergruppe um Heinrich Reuß Anfang Dezember festgenommen wurde.

Maik Juhe (Links) und Matthias Jünemann auf einer rechten Demonstration in Leipzig

Doch im Sumpf der Hildesheimer Querdenken-Bewegung tun sich auch andere Einzelpersonen hervor. Bereits bei den Hildesheimer Montagsspaziergängen ist eine Gruppe aufgefallen, die besonders aggressiv auftrat und in den Telegram Chats rechte Inhalte plazierte. Tecwyn Williams wurde bereits mehrfach von uns im Bezug auf rechte Impfgegner erwähnt. Ebenfalls zu nennen sind Matthias Jünemann und Maik Juhe. Derzeit treten die beiden öfter auf verschiedenen Veranstaltungen der Querdenker, neuen Rechten und Reichsbürgerszene auf. So besuchten sie beispielsweise gemeinsam eine Demonstration der neuen Rechten um Jürgen Elsässer unter dem Motto „Ami go home“ am 26.11.2022 in Leipzig.

1871 Friedensboten – B1

Die Reichsbürger der Gruppe „1871 Friedensboten“ haben in den letzten Monaten das Format des stillen Protestes für sich endtdeckt. Dabei stellen sie sich entlang von Bundeststraßen auf und halten ihre Fahnen in die Luft. In der Hildesheimer Region sammeln sich seit Mitte Juli 2022 samstagmittags Reichsbürger aus Süd-Ost Niedersachsen an der B1 bei Groß Lafferde. Dabei stehen die etwa 10 Personen mit Reichsfahnen auf dem Radweg und winken vorbei fahrenden Autos. Einige der hiesigen Teilnehmer*innen laufen auch bei den Querdenken-Spaziergängen in Hildesheim mit.

Etwa 10 Personen stehen im Dezember 2022 jeden Samstag an der B1 bei Groß Lafferde

Ewiger Bund und VHD

Logo des „Ewigen Bundes“

Der Ewige Bund wurde 2018 gegründet und sieht sich in dem Glauben, der Kriegs- und Belagerungszustand von 1914 würde bis heute andauern. Um Mitglied der Organisation zu werden, muss man zunächst eine Grundlagenschulung absolvieren und seine Herkunft als Deutscher mit offiziellen Papieren nachweisen. Anschließend ist man verpflichtet sich beim Vaterländischen Hilfsdienst (VHD) zu melden. Dieser ist in 24 Armeekorpsbezirke aufgeteilt, wobei Hildesheim in den Bezirk 10 – Hannover fällt.

In Hildesheim ist der Ewige Bund bisher aufgefallen, als sie Kerzen am Galgenberg zu nem Gedenktag abstellten. Etwa 10 Hildesheimer*innen scheinen sich an der Organisation zu orientieren und führten eine Versammlung am 31.7.2022 am Bismarckturm in Hildesheim durch. Aufgerufen wurde vom Ewigen Bund an den Denkmälern mit Fackeln gegen „108 Jahre Belagerungszustand“ zu demonstrieren.

Exilregierung deutsches Reich

Norbert Schittke

Die 2004 gegründete Exilregierung Deutsches Reich sieht sich in Folge einer 2004 stattgefundenen „verfassungsgebenden Versammlung“ als die wirkliche Regierung. Als Reichskanzler wurde der Hildesheimer Norbert Schittke ernannt, der mittlerweilen in Egenstedt (Landkreis Hildesheim) wohnhaft ist. Zuvor wohnte er in der Hildesheimer Oststadt, wo er bis zur Zwangsversteigerung der verwahrlosten Immobilie ein Kontaktbüro zur Reichsregierung betrieb. In jüngster Vergangenheit musste er sich wegen Urkundenfälschung vor dem Hildesheimer Amtsgericht verantworten, nachdem er eigene Pässe und Führerscheine verkaufte, wie die Hildesheimer Allgemeine Zeitung berichtete. Er ist Betreiber der Internetseite Friedensvertrag.info, auf der er seine Dekrete und Verschwörungsmythen publik macht.

Germaniten

Die Germaniten sehen sich als einen unabhänigen Staat in den Reichsgrenzen von 1937, in dem das „indigene Volk der Gemaniten“ lebe. In Hildesheim haben die Germaniten im Rahmen einer 2022 stattgefunden Vortragstour halt gemacht. Am 27.07.2022 fand in Bad Salzdetfurth eine geschlossene Veranstaltung mit etwa 40 Teilnehmenden aus Hildesheim, Braunschweig und Hannover statt, bei der die Rednerin Uta Brüne ihre Thesen zum Besten gab.

Die Referentin Uta Brüne links mit Teilnehmenden bei einem Vortrag der Germaniten am 27.07.2022 in Bad Salzdetfurth