Die Protokolle des Prozess

Protokoll,Anmerkungen zu Terrorprozess in Hildesheim.

In Hildesheim wurde gegen F. Fuchs prozessiert, der laut Anklage einen Terroranschlag auf eine Moschee geplant haben soll. Außerdem war er in mehreren Punkten wegen Beleidigung, Bedrohung und Störung des öffentlichen Friedens angeklagt.

Die genauen Anklagepunkte waren: 1-3: Beleidigung und Bedrohung einer damals 15-Jährigen Schülerin auf Facebook. Er schickte ihr ungefragt ein Foto seines Penis, woraufhin sie ihm schrieb, er solle sowas sein lassen und sie wäre nicht an Kontakt mit ihm interessiert. Darauf folgten heftige Beleidigungen, die sich auch gegen ihren Bruder und ihre Mutter richteten, als diese sich einschalteten. Schwerwiegende Beleidigungen wie Bedrohungen, die geeignet seien, Menschenwürde zu verletzen, so auch die Staatsanwältin. Wir werden den Wortlaut hier nicht ausschreiben, weil es wirklich widerlich ist.

Der vierte Anklagepunkt war die Beleidigung und Bedrohung einer Schwarzen Person über die Chatplattform Omegle. Auch hier waren es menschenverachtende Beleidigungen, die Staatsanwaltschaft sprach von Volksverhetzung.

Der fünfte Anklagepunkt war nun eben die Planung und Finanzierung eines Terroraktes. Bei einer Hausdurchsuchung werden Waffen (Armbrüste, Messer) gefunden. Dazu handschriftliche Notizen mit rechtsextremen Inhalten und einen Zettel mit der Überschrift „Ich werde einen Terroranschlag begehen“. Darauf befinden sich Aussagen, wie „Ich werde mindestens 20 Muslime umbringen“ und „Das wird das Bedeutendste in meinem Leben“, „1488 N****r killen“ und weiteres.

Der sechste Anklagepunkt war dann der Chat über Omegle, in dem angab, vor einer Moschee zu stehen und den Anschlag durchzuführen und zu streamen. Dort sagte er etwa auch, er sei „Krieger seines Landes“. Sein Chatpartner meldete dies damals der Polizei, die deswegen am nächsten Tag eine Hausdurchsuchung bei Fuchs durchführt und eben die Waffen etc. findet.

Im Prozess wurde ein psychiatrischer Gutachter gehört, Fuchs Betreuer, sein Vater, ein ehemaliger Lebensgefährte seiner Mutter, ihr jetziger Lebensgefährte, die Mutter selbst, die damals 15-Jährige Schülerin, Polizisten, die Beweismittel gesichtet hatten. Der Angeklagte selbst machte ebenfalls eine Aussage.

Die Verteidigungsstrategie war von Anfang an sehr deutlich. Fuchs wurde gezeugt als labiler, psychisch kranker junger Mann, mit Angst-und Zwangsstörungen, der keine sozialen Kontakte hatte und vollkommen im Internet aufgeht. Den Anschluss an die „richtige“ Welt hat er verloren, er ist ausgestoßen von der Gesellschaft und sucht nach Anerkennung im Internet. Er nimmt zu Bewältigung seiner psychischen Probleme Drogen und trinkt viel. Er trollt viel im Internet, aber das sind nur Dumme-Jungen-Streiche. Er interessiert sich für Geschichtliches und für verschiedene politische Ideologien, nicht nur rechts, auch links. Er selbst nennt sich liberal. Er habe eine muslimischen Freund, könne also kein Rassist sein.

Soweit so wenig überraschend. Dementsprechend fordert die Verteidigung in den letzten drei Anklagepunkten auch einen Freispruch, schließlich wären das alles nur Spinnereien gewesen, eh nicht ernstzunehmen und eher Ausdruck eines jugendlichen Gemüts.

Dies ist ja eine sehr bekannte Verteidigungslinie in solchen Fällen: Es war eh alles nicht ernstgemeint, aber selbst wenn, dann war der Angeklagte immer noch psychisch krank und nicht rechts.

Die Celler Generalstaatsanwaltsschaft, die eine eigene Abteilung zur Terrorismusbekämpfung hat, welche sich eben auch diesem Fall angenommen hat, sieht den Sachverhalt ganz anders.

Sie geht tatsächlich davon aus, das Fuchs einen Anschlag geplant hat, statt nur auf einem Zettel rumgekritzelt zu haben, sie geht davon aus, dass die Waffen auch genau dafür bestimmt sein könnten. Sie sieht auch in der Tat eine rechtsradikale Radikalisierung bei Fuchs, die zumindest angefangen hat. Sie glaubt Fuchs nicht, dass er hunderte Videos mit rechtem Propagandamaterial nur aus sachlichem, „wissenschaftlichem“ Interesse gespeichert hat, oder dass er „ebenso gut linksradikal“ sein könnte.

Dieser Beurteilung schließt sich sogar die Richterin an, die ebenfalls von einer rechtsextremen Radikalisierung durch das Internet ausgeht. Das bedeutet für sie aber nicht, dass Fuchs mit seiner Drohung eines Terroranschlags eine Gefahr bedeutet. Es scheint zu gelten: Rechts ist er, aber immer noch zu verwirrt/ zu jung/ zu krank um gefährlich zu sein.

Wir möchten die Bewertung des Internets als Medium hier betonen. Im Prozess ist oft aufgefallen, dass das Gericht sowie die Polizei kein ausgeprägtes Verständnis davon hat wie das Web funktioniert. Wie Gaming Communities aufgebaut sind, wie Omegle funktioniert, welche Rolle Imageboards spielen, welches Imageboard von welchen Leuten aufgesucht wird, was Trolls sind und welche Bedeutung Trolling hat. Aber auch einfach wie eine Spielekonsole arbeitet, gilt der Polizei als Expertenwissen.

Außerdem wollen wir hervorheben, wie sich die Beurteilung der Staatsanwaltschaft von der, der Richterin unterscheidet hinsichtlich auf die Frage, wann der öffentliche Frieden im Internet gestört ist. Die Staatsanwaltschaft sah den Straftatbestand der Volksverhetzung und der Störung des öffentlichen Friedens als erfüllt, obwohl dafür eigentlich gegeben sein muss, das solche Äußerungen entweder öffentlich geäußert werden oder aber mit der Veröffentlichung zu rechnen ist. Die Anklage sagt also, dass solche Äußerungen in einem anonymen Chat im Internet eben nicht rein privater Natur sind, weil man im Web immer davon ausgehen muss, dass sie vom Gegenüber öffentlich gemacht werden und das so eine Veröffentlichung im Internet potentziell auch bedeutet kann, das nicht 10 Menschen es mitbekommen, sondern 10.000.

Die Richterin sieht dies nicht als gegeben, sie beurteilt solche Chats als privaten Austausch und hält es für unwahrscheinlich, das das Gegenüber, dem menschenverachtende Beleidigungen geschrieben werden, diese an die Öffentlichkeit bringen könnte.

Die Bedeutung des Mediums Internet für diesen Prozess ist maßgeblich für das Urteil und da scheint es in der Rechtssprechung keinen Konsens und wenig Wissen über dessen Funktion zu geben – ja, das Internet ist immernoch Neuland.

Drei Fragen, deren Beantwortung potenziell enorm aufschlussreich wäre, wurden im Prozess nicht einmal gestellt, weswegen wir sie hier noch einmal hervorheben wollen.

1. Der Angeklagte hat in verschiedenen Gaming Partys gespielt. Es wurde nicht überprüft, mit welchen Accounts er interagierte, ob dort Dopplungen auftreten. Eine solche Untersuchung hätte Einblick in Fuchs digitale Netzwerke geben können. Denn selbst wenn es kaum Anhaltspunkte gibt, das Fuchs außerhalb des Internets mit Rechtsextremisten bekannt sein könnte, ist bekannt, dass es eben auch im Internet rechte und rechtsextreme Netzwerke gibt.

2. Der Chat, in dem Fuchs schrieb, er stehe vor einer Moschee, bereit zum Anschlag, wurde laut ihm von einem Mobiltelefon aus geführt. Hier wurde im Prozess nicht nachgefragt und ein Mobiltelefon wurde auch in der Beweissicherung auch nicht untersucht. (S. 19)

3. Es wurde in seinem Zimmer ein Notizzettel mit dem Vermerk „True Cript“ und einer langen Zahlenkombination gefunden. Dies wurde im Prozess nur nebenbei erwähnt. Eine solche Datei kann man auf der Festplatte so abspeichern, dass sie nicht gefunden werden kann. Wurde die Festplatte des Laptops auch nach so einer verborgenen Datei durchsucht? (S.13)

Die Staatsanwaltschaft hat Revision eingelegt.

 

Die Protokolle der Prozesstage sind hier als PDF vorhanden.