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Rote Linie Hildesheim – Eine übersicht


Am kommenden Samstag den 27.04 mobilisiert die „Rote Linie Hildesheim“ zu einem bundesweiten Aufmarsch nach Hildesheim. Um einen Überblick über die Organisation zu verschaffen, haben wir ein paar Infos zusammen getragen: 


Zum Aufmarsch

Die Versammlung beginnt um 13 Uhr am Angoulemeplatz unweit des Hildesheimer Hbf. Es können zwischen 200-400 Personen erwartet werden, die nach der Auftaktkundgebung einen sehr langen Marsch durch die Stadt veranstalten werden, eine genaue Route ist noch nicht bekannt. Die Moderation soll von „Sven und Andre (Bielefeld steht auf)“ gemacht werden. Mehrere Trommelgruppen wie die extrem rechten „Oberhavelner Trommler“ sind zu erwarten. Als Highlight auf der Bühne wird der Musiker Esteban Cortez beworben. Bei der letzten Veranstaltung traten auch vereinzelt Neonazis in Erscheinung. Außerdem sind mehrere Fotograf*innen angekündigt, die sicherlich auch versuchen werden den Gegenprotest abzufilmen. 


Die Orga: 

Die Rote Linie Hildesheim umfasst im Chat 100 Personen, auf der Straße etwa 30-50 Personen und im Orgateam etwa 10 Personen. Jeden Montagabend läuft die Rote Linie durch die Hildesheimer Innenstadt. Sie starten jeweils um 18.00 Uhr am Zuckerhut und enden am Hindenburgplatz. Ein Großteil der Teilnehmenden reist dazu jeden Montag in Autos aus dem Landkreis HI, H und PE an. Im Anschluss des Spazierganges findet sich das Kernteam in einer Gaststätte in der Wollenweberstraße zur Besprechung ein. Zusätzlich zu den Montagsspaziergängen in Hildesheim gibt es eine enge Vernetzung zur Roten Linie Hannover, an deren Märschen sich die Hildesheimer*innen wiederum regelmäßig beteiligen. Über die Montagsspaziergänge hinaus hat die Gruppe versucht sich bei den Bauernprotesten anzubiedern. Außerdem beteiligte sich die Rote Linie Hildesheim an einer Friedensdemo zu Ostern in Bockenem.

Eine neue Art der Veranstaltung fand zum ersten Mal am 13.04.2024 auf dem Angoulemeplatz statt: Die „Galerie der Aufklärung“. Dabei handelt es sich um eine Art Ausstellung, die es so auch schon in anderen Städten gibt. Aufgehängte Infozettel, Bilder und Schilder sollen so die kruden Verschwörungstheorien der Querdenkenbewegung in der Stadt präsent machen.


Personalstruktur:

Wir wollen die Führungsfiguren der Gruppe, die sich nun seit langer Zeit beteiligen und insbesondere durch ihren rechten Einschlag in der Gruppe auffallen, gern präsentieren: 

Robin Schröder


Die Führungsfigur der Hildesheimer Roten Linie HI ist Robin Schröder aus Diekholzen. Dieser trat bislang als Anmelder in Erscheinung und produziert auch die Videos der Gruppe, die auf Youtube und Telegram verbreitet werden. Er kann aktuell als organisatorische Führungsfigur angesehen werden, so wird auch in dem Gruppenchat deutlich: Was Robin Schröder sagt, ist Gesetz. Während in ihrer Gesamtheit die Rote Linie Hildesheim nicht homogen rechtsextreme Positionen vertritt, lenkt Schröder den Diskurs deutlich in Richtung Queerfeindlichkeit, Demokratiefeindlichkeit, Russlandfreundschaft, Rassismus und Antisemitismus.

Ingo Bittner


Als enger Vertrauter und ebenfalls sehr aktives Mitglieder mit Aggressionsproblem kann Ingo Bittner aus Hannover angesehen werden. Dieser ist insbesondere für das Einschüchtern von Journalist*innen und Gegenprotest bekannt. Vor kurzen musste er sich auf Grund eines gefälschten Maskenbefreiungsattestes vor dem Amtsgericht Hannover verantworten. 

Anja Sucker

Ebenfalls aus Hannover und im Führungskreis der Roten Linie Hildesheim ist Anja Sucker. Sie ist bei nahezu sämtlichen Aktionen zugegen und hatte insbesondere bei der „Galerie der Aufklärung“ eine Führungsrolle in der Organisation übernommen. 


Stefan Schmidt

Der Dachdecker Stefan Schmidt aus Hildesheim ist seit Beginn der Gruppenaktivität dabei und fährt auch gern auf Aufmärsche der Szene in andere Städte. 

Ralf Jaskloh

Ralf Jaskloh fällt schon seit Längerem durch sein aggressives Verhalten auf. Schon vor einigen Jahren attakierte er junge Aktivist*innen im Gegenprotest mit einer Metallstange. Mittlerweile zeigt sich seine rechte Gesinnung auch durch Aufkleber und Sprüche immer deutlicher.


Von den Querdenker*innen gehen immer wieder Bedrohungen aus. Sie drangsalieren regelmäßig linke Personen auf offener Straße. Bei einer Klimademo von Fridays or Future 2023 machten sie Aufnahmen von den Demonstrierenden, anscheinend als Versuch einer Art Anti Antifa. Außerdem versuchten sie im November 2023 eine linke Veranstaltung zu stören und zu provozieren, konnten aber davon abgehalten werden.


Ausblick: 
Die Gruppe hat eine gefestigte und funktionierende Orgastruktur und eine Infrastruktur mit Fahrzeugen, Schildern, Kameras und Propaganda, die es ihnen ermöglicht weiterhin ihren Aktivitäten nachzugehen. Seit Beginn der Querdenken Bewegung in Hildesheim im Jahr 2020 haben sich die Teilnehmer*innen immer weiter radikalisiert. Mittlerweile finden sich hier eindeutig nicht mehr nur rechte, sondern klar rechtsextreme Inhalte sowohl in internen Telegramgruppen als auch auf ihren Demonstrationen. Immer wieder laufen auch organisierte Neonazis bei den Aufmärschen in Hildesheim mit.

Für den 27.04 mobilisiert das Bündnis gegen Rechts Hildesheim zu einer Gegendemo um 12 Uhr zum Hauptbahnhof. 

Maik Juhe

Maik Juhe (links) zusammen mit Matthias Jünemann in Leipzig am 26.11.2022

Maik Juhe ist seit längerem Teil der Querdenken Szene in Hildesheim. Lange war er regelmäßig auf vielen Demonstrationen/Spaziergängen mit dabei, sowohl in Hildesheim als auch überregional. Mittlerweile scheint er sich nicht mehr so sehr auf den Montagsspaziergängen wohlzufühlen. Er hat sich etwas abgesondert und fährt eher auswärts zu Demonstrationen, wie etwa am 26.11.2022 nach Leipzig zu einer Großdemo unter dem Motto „Ami go home“, die von Jürgen Elsässer angemeldet wurde.

Bei einem Corona Spaziergang in Hildesheim

Das hat seinen Grund in seiner immer weiter fortschreitenden Radikalisierung; die Montagsspaziergänger*innen gehen ihm nicht weit genug. Er träumt stattdessen von Bewaffnung, vom Kampf fürs Volk, Thron und Vaterland. Maik ist mittlerweile als Reichsbürger einzustufen und interessiert sich für diverse Reichsbürger Organisationen wie den VHD oder den Ewigen Bund.

Maik hat aufgrund von Maskenverstößen, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung mehrere Anzeigen und Verfahren kassiert.

Matthias Jünemann

Matze Jünemann

Matthias (Matze) Jünemann lebt im Hildesheimer Umland ein ganz ruhiges, bürgerliches Leben, führt ne Autowerkstatt und bringt sich ins Dorfleben ein. Gleichzeitig ist er aber auch seit Jahren auf rechten Veranstaltungen zu finden.

Spätestens seit 2016 ist Jünemann mal mehr, mal weniger aktiv in der rechten Szene in Hildesheim. 2016 war er Anführer der Bürgerinitiative Hildesheim (BIH), welche anti-muslimische Mahnwachen auf dem Markplatz abhielt, an der sich auch Neonazis beteiligten. Im selben Jahr war Jünemann dann auch mit der BIH in Berlin auf einer Großdemonstration „Merkel muss weg“ zu finden, wo er auch vor Neonazis posierte. Anschließend trat er für den Kreis Diekholzen bei der Kommunalwahl an.

Jünemann (rechts) auf Wahlplakat der BIH (inklusive Rechtsschreibfehler)

Jahrelang war Jünemann dann von der Bildfläche verschwunden, um nun bei den Querdenkern Anschluss zu finden und sich zu reaktivieren. Dabei ist auch bei ihm festzustellen, dass er sich immer weiter radikalisiert und ideologisch mittlerweile bei den Reichsbürgern einzuordnen ist.

Nachdem er eine Zeit lang auch bei den Hildesheimer Querdenken Veranstaltungen aufttauchte und auch aggressiv gegenüber linken Gegendemonstrant*innen auftrat, sind diese ihm mittlerweile anscheinend nicht extrem genug, weshalb er gerne auch auswärts fährt. So war er etwa mit Maik Juhe am 26.11.2022 in Leipzig bei der Großdemonstration der extrem rechten und verschwörungstheoretischen Szene, die von Jürgen Elsässer unter dem Motto „Ami go Home“ angemeldet wurde. Außerdem besucht er die Reichsbürger-Proteste an der B1 bei Groß Lafferde.

Jünemann (rechts) mit Maik Juhe am 26.11.2022 in Leipzig
Matthias Jünemann beim Reichsbürger-Protest an der B1 bei Groß Lafferde am 31.12.2022

Reichsbürger*innen in Hildesheim

In diesem Artikel wollen wir uns dem Spektrum der Reichsbürger widmen und beleuchten, welche Strukturen und Personen in Hildesheim eine Rolle spielen. Die vorgestellten Gruppen eint die gemeinsame Vorstellung das deutsche Kaiserreich würde in seinen Grenzen und Gesetzen der Reichsgründung von 1871 bzw. 1937 weiter bestehen. Sie lehnen die Gesetze und Verfassung der Bundesrepublik konsequent ab und bedienen sich Ideologieelementen des Monarchismus, Geschichtsrevisionismus, Antisemitismus, Rassismus, Esoterik und der Holocaustleugnung. Die Szene der Reichsbürger gilt als zerplittert und die Organisierung findet in kleineren sektenähnlichen Strukturen statt. Im Folgenden sollen die uns bekannten Hildesheimer Ableger vorgestellt werden.

Querdenker

Michael Fritsch als Kandidat für die Querdenken Partei „Die Basis“ zur Bundestagswahl 2021
Foto: Alfelder Zeitung

Der aktuell wohl aktivste Teil an Reichsbürgern in Hildesheim kommt aus der Querdenken Szene. Einzelpersonen und lose Zusammenschlüsse von Verschwörungsideolog*innen steigerten sich im Laufe der Corona Pandemie in eine Welt der falschen Tatsachen und Verschwörungsmythen. So fällt der in Hildesheim verbliebene Rest der Pandemieleugner durch immer extremere Inhalte rechten, esoterischen und antidemokratischen Gedankenguts auf. Die wohl bekannteste Führungsfigur ist der Alfelder Ex-Polizist Michael Fritsch, welcher für die Querdenken Partei „Die Basis“ auf Listenplatz 1 in Niedersachsen für den Bundestag kandidierte. Auch bei ihm konnte eine zunehmende Radikalisierung vom Querdenker hin zum Reichsbürger beobachtet werden, bis er schließlich im Rahmen der bundesweiten Razzien mehrerer Geheimdienste zur Reichsbürgergruppe um Heinrich Reuß Anfang Dezember festgenommen wurde.

Maik Juhe (Links) und Matthias Jünemann auf einer rechten Demonstration in Leipzig

Doch im Sumpf der Hildesheimer Querdenken-Bewegung tun sich auch andere Einzelpersonen hervor. Bereits bei den Hildesheimer Montagsspaziergängen ist eine Gruppe aufgefallen, die besonders aggressiv auftrat und in den Telegram Chats rechte Inhalte plazierte. Tecwyn Williams wurde bereits mehrfach von uns im Bezug auf rechte Impfgegner erwähnt. Ebenfalls zu nennen sind Matthias Jünemann und Maik Juhe. Derzeit treten die beiden öfter auf verschiedenen Veranstaltungen der Querdenker, neuen Rechten und Reichsbürgerszene auf. So besuchten sie beispielsweise gemeinsam eine Demonstration der neuen Rechten um Jürgen Elsässer unter dem Motto „Ami go home“ am 26.11.2022 in Leipzig.

1871 Friedensboten – B1

Die Reichsbürger der Gruppe „1871 Friedensboten“ haben in den letzten Monaten das Format des stillen Protestes für sich endtdeckt. Dabei stellen sie sich entlang von Bundeststraßen auf und halten ihre Fahnen in die Luft. In der Hildesheimer Region sammeln sich seit Mitte Juli 2022 samstagmittags Reichsbürger aus Süd-Ost Niedersachsen an der B1 bei Groß Lafferde. Dabei stehen die etwa 10 Personen mit Reichsfahnen auf dem Radweg und winken vorbei fahrenden Autos. Einige der hiesigen Teilnehmer*innen laufen auch bei den Querdenken-Spaziergängen in Hildesheim mit.

Etwa 10 Personen stehen im Dezember 2022 jeden Samstag an der B1 bei Groß Lafferde

Ewiger Bund und VHD

Logo des „Ewigen Bundes“

Der Ewige Bund wurde 2018 gegründet und sieht sich in dem Glauben, der Kriegs- und Belagerungszustand von 1914 würde bis heute andauern. Um Mitglied der Organisation zu werden, muss man zunächst eine Grundlagenschulung absolvieren und seine Herkunft als Deutscher mit offiziellen Papieren nachweisen. Anschließend ist man verpflichtet sich beim Vaterländischen Hilfsdienst (VHD) zu melden. Dieser ist in 24 Armeekorpsbezirke aufgeteilt, wobei Hildesheim in den Bezirk 10 – Hannover fällt.

In Hildesheim ist der Ewige Bund bisher aufgefallen, als sie Kerzen am Galgenberg zu nem Gedenktag abstellten. Etwa 10 Hildesheimer*innen scheinen sich an der Organisation zu orientieren und führten eine Versammlung am 31.7.2022 am Bismarckturm in Hildesheim durch. Aufgerufen wurde vom Ewigen Bund an den Denkmälern mit Fackeln gegen „108 Jahre Belagerungszustand“ zu demonstrieren.

Exilregierung deutsches Reich

Norbert Schittke

Die 2004 gegründete Exilregierung Deutsches Reich sieht sich in Folge einer 2004 stattgefundenen „verfassungsgebenden Versammlung“ als die wirkliche Regierung. Als Reichskanzler wurde der Hildesheimer Norbert Schittke ernannt, der mittlerweilen in Egenstedt (Landkreis Hildesheim) wohnhaft ist. Zuvor wohnte er in der Hildesheimer Oststadt, wo er bis zur Zwangsversteigerung der verwahrlosten Immobilie ein Kontaktbüro zur Reichsregierung betrieb. In jüngster Vergangenheit musste er sich wegen Urkundenfälschung vor dem Hildesheimer Amtsgericht verantworten, nachdem er eigene Pässe und Führerscheine verkaufte, wie die Hildesheimer Allgemeine Zeitung berichtete. Er ist Betreiber der Internetseite Friedensvertrag.info, auf der er seine Dekrete und Verschwörungsmythen publik macht.

Germaniten

Die Germaniten sehen sich als einen unabhänigen Staat in den Reichsgrenzen von 1937, in dem das „indigene Volk der Gemaniten“ lebe. In Hildesheim haben die Germaniten im Rahmen einer 2022 stattgefunden Vortragstour halt gemacht. Am 27.07.2022 fand in Bad Salzdetfurth eine geschlossene Veranstaltung mit etwa 40 Teilnehmenden aus Hildesheim, Braunschweig und Hannover statt, bei der die Rednerin Uta Brüne ihre Thesen zum Besten gab.

Die Referentin Uta Brüne links mit Teilnehmenden bei einem Vortrag der Germaniten am 27.07.2022 in Bad Salzdetfurth

Tecwyn Williams

Tecwyn Williams (kurz Tec) ist von Beginn an in der Querdenken Szene in Hildesheim aktiv. Seit Beginn der Pandemie kommt er regelmäßig zu Demonstrationen/Mahnwachen/Kundgebungen/Spaziergängen. Er tritt dabei immer wieder auch aggressiv gegenüber Gegendemonstrant*innen auf.

Tec ist in London geboren und hat weiterhin die britische Staatsangehörigkeit, ein Umstand, der es ihm möglich machte, für die Volkshochschule in Hildesheim zu arbeiten und Englischkurse anzubieten. Mittlerweile ist er dort nicht mehr angestellt und arbeitet nun als Gärtner.

Tec ist immer schon sehr aktiv in den Telegramgruppen der Querdenker*innen und steuert da seinen Teil an antisemitischen Verschwörungstheorien bei. Man kann bei ihm gut sehen, wie ein Teil der Szene sich in den letzten drei Jahren immer weiter radikalisiert hat. Mittlerweile (Dezember 2022) ist Tec als Reichsbürger einzustufen.

Wer läuft denn da? Montagsspaziergänge in Hildesheim

Und wieder sind sie unterwegs: Leute, die Corona leugnen, mit Leuten, die antisemitische Verschwörungstheorien glauben, mit Leuten, die ein geschlossen rechtes Weltbild haben und gewaltbereit sind. Es folgt eine Einschätzung der Akteur*innen, sowie der neuen Aktivitäten:
    
Seit Dezember 2021 finden die sogenannten „Spaziergänge“ der Corona-Verharmloser*innen jetzt schon in Hildesheim statt. Aufgerufen wird dazu über verschiedene lokale Telegramgruppen sowie über die Telegramseite „Freie Niedersachsen“. Dieser Kanal informiert niedersachsenweit über die geplanten „Spaziergänge“. In Hildesheim kommen mittlerweile immer 200-300 Personen zusammen, wobei die Zahlen nicht mehr steigen, allem Anschein nach pendelt es sich hier ein. Ursprünglich trafen sich die Teilnehmenden auf dem Andreasplatz, der wird nun aber seit dem 03.01.22 von einer Gegenveranstaltung blockiert.
Deshalb sammelten sie sich erst hinter der Andreaskirche, mittlerweile ist das Ganze dynamischer gestaltet, es gibt verschiedene Gruppe, die meist in der Fußgängerzone aufeinander treffen und dann gemeinsam weitergehen. 
Auch in ihrer Routenwahl sind die Impfgegner*innen zwangsläufig dynamischer – weil sie in den letzten Wochen immer wieder erfolgreich von Antifas blockiert wurden, mussten sie ihre Richtung oftmals ändern.
 
Dass sich Akteure der extremen Rechten an den Corona-Protesten beteiligen, ist eine Kontinuität in Hildesheim. In unseren vergangenen Artikeln wurde dokumentiert, wie Johannes Welge im Mai 2020 auf der Kundgebung des FDP Politikers Jenz Stenzel sprechen durfte. An der Demonstration von Heidi Bolduan beteiligte sich am 23.10.2021 gleich der halbe Kreisverband von Die Rechte Braunschweig/Hildesheim.
 
Mindestens bei dem Spaziergang am 10.01.2021 beteilgten sich Joachim Sauermann und Ralf Kriesinger der AfD Hildesheim.

Ralf Kriesinger

Joachim Sauermann

 
 
Als weiterer Teilnehmer ist der aus der NPD Hildesheim bekannte Marcus Griese aus der Neustadt zu nennen, der in der jüngsten Vergangenheit auch immer wieder Aufmärsche der Neonazis in Braunschweig besuchte.

Marcus Griese (rechts) mit Martin Kiese von Die Rechte in Hildesheim

 
Matthias Jünemann, der 2016 in Folge der Kölner Silvesternacht mehrere rassistische Kundgebungen auf dem Hildesheimer Marktplatz angemeldet hatte, tritt auch wieder in Erscheinung. So ist er in den Chats der Hildesheimer Querdenker zu finden und nahm auch mindestens am Marsch vom 17.1.22 teil. Dabei drohte er einer Person aus dem Gegenprotest Gewalt und Mord an.

C. Jeserigk und M. Jünemann
C. Jeserigk und M. Jünemann

Und auch eine Woche vorher, am 10.01.2022 kam es zu Bedrohungsszenarien von Seiten der „Spazierenden“. So wurden Gegendemonstrant*innen mit heißem Kerzenwachs bespritzt und mehrere Männer drohten mit ihren Fäusten. Außerdem fiel ein Mann auf, der mit einer ca 40 cm langen Metallstange bewaffnet, ebenfalls Gegendemonstrant*innen Gewalt androhte. Als die Polizei ihn daraufhin durchsuchte fanden sie ein Messer.

Mit Metallstange und Messer bewaffnet.

 
Das Gewaltpotenzial auf den Veranstaltungen der Corona Verharmloser*innen nimmt zu.Im Allgemeinen herscht eine Stimmung, in der sich die selbst ernannten Rebell*innen zu allem befähigt und bemächtigt fühlen. So kommt es auch immer wieder zu Diskussionen und Handgemengen mit der Polizei. Gegenüber des Gegenprotestes fallen dann sämtliche Hemmungen. 
 

Querdenken Proteste HI

Wir dokumentieren die jüngsten Entwicklungen hinsichtlich der Hildesheimer „Querdenken“ Szene. In einem älteren Beitrag finden sich weitere Infos zu Struktur und Ausrichtung der Hildesheimer Querdenker.

Angemeldet und angeführt von Heidi Bolduan aus der Nordstadt finden seit Monaten jeden Samstag Demonstrationen der Hildesheimer Querdenker Szene statt. Es wird jeden Samstag um 14 Uhr am Hbf gestartet und mit 20-50 Personen eine kleine Runde durch die Innenstadt gelaufen, wobei für „die Rechte unserer Kinder“ demonstriert wird. Besondere Außenwirkung hat die Gruppe nicht. Im Kern sind es auch jeden Samstag die gleichen Personen. Als aggressiv fällt im Rahmen dieser Proteste immer wieder der ehemalige Volksschullehrer Tecwyn Williams auf.

Tecwyn Williams

Eine größere Mobilisierung blieb bisher aus, doch Anfang Dezember 2021 konnten die Querdenker noch einmal einen Erfolg erzielen. Die samstäglichen Spaziergänge wurden immer mehr zum Flop, zuletzt (24.12) waren nurnoch 11 Personen anwesend. Stattdessen werden die Montagabende nun spannender:

Die „Freien Niedersachsen“, die ein Telegram Infokanal sind, organsieren mittlerweile in zahlreichen Städten und Dörfern im Landkreis Hildesheim Montagsspaziergänge. Wir haben sämtliche Spaziergänge im Landkreis am 27.12 angeschaut und folgendes beobachtet:

1. Hildesheim:

In Hildesheim startete der „Spaziergang“ um 18.00 Uhr an der Andreaskirche. Beworben wurde auch diese Veranstaltung vorher von den „Freie Niedersachsen“. Es wurde dann erst zu Bahnhof spaziert, dann ging es weiter zum Dom. Anfangs waren etwa 150 Leute da, nachher spazierten etwa 300 insgesamt. Der Zug war relativ ruhig, einige Male gab es Rufe nach „Frieden, Freiheit, keine Dikatur“. Am Dom wurden Kerzen entzündet, aber vor allem rumgestanden, ohne Masken und ohne Abstand. Die Polizei war insgesamt mit 5 Wägen vor Ort, mehr als 6 Cops standen aber nicht beim Dom rum. Die Versammlung löste sich dort nach ca. 15 Minuten auf, die Impfgegner*innen zogen in kleinen Gruppe ab. Bemerkenswert sei hier noch die Anwesenheit von 2-4 Faschos, die auch Verbindung zu „Die Rechte“ haben. Diese traten provozierend auf und versuchten, Beobachtende einzuschüchtern.

2. Sarstedt:

In Sarstedt sind die Querdenker in der Vergangenheit durch das Zeigen einer Reichsfahne und durch einen Farbangriff auf die SPD aufgefallen. Es beteiligten sich etwa 30-50 Personen, die vorwiegend Familien waren. Von einem Vorabtreffpunkt aus gingen sie gemeinsam zum Rathaus wo der Aufmarsch begann. Sie wurden von 6 Cops begleitet.

3. Nordstemmen:

In Nordstemmen wird Mittwochabends vom Rathaus aus gelaufen. Hier beteiligten sich bisher bis zu 50 Personen, wobei man sich intern streitet, ob man Maske tragen solle oder nicht.

4. Elze

In Elze wurde zum ersten Mal am 27.12 zu einem Protest am Rathaus aufgerufen. Es beteiligten sich etwa 15 Personen. Die Polizei war mit 2 Streifen vor Ort.

5. Gronau (Leine)

In Gronau fand auch am 27.12 zum ersten Mal ein Spaziergang vom Marktplatz aus statt, an dem sich etwa 25 Personen beteiligten. Die Polizei war mit 2 Streifen vor Ort.

6. Bad Salzdetfurth

In Badse wird auch bereits seit mehreren Montagen aufmarschiert. Etwa 50-100 treffen sich am Kurmittelhaus und laufen versprengt mit Lichtern durch den Ort. Einzelne unorganisierte Neonazis beteiligen sich.

7. Holle

In Holle liefen etwa 20 Personen vom Rathaus aus durch den Ort, es war ein Streifenwagen vor Ort.

8. Alfeld

In Alfeld finden schon seit längerer Zeit Corona-Proteste statt. Der Bundestagskandidat und Stimmungsmacher der Querdenker Partei „Die Basis“ Michael Fritsch, der Polizeibeamter ist, gilt hier als Anführer. Um ihn herum beteiligen sich bis zu 200 Personen an wöchentlich stattfindenden Protesten an den Leinewiesen oder dem Marktplatz. Fritsch wurde jüngst in Dresden wegen Volksverhetzung verurteilt, weil er als Redner auf der Bühne eines großen Querdenken-Protestes mehrfach den Hitlergruß zeigte. Wenig überraschend ist Alfeld deshalb auch einladend für Neonazis. So beteiligten sich mehrere Faschos des KV HI/BS von Die Rechte in Alfeld am Protest. Sie wirkten sichtlich alkoholsiert und verbrachten den restlichen Abend saufend und Rechtsrock hörend vor Kaufland. Ansonsten waren etwa 150 Personen anwesend, begleitet von 3 Streifen und Zivilbeamten.

Rechts: Oliver Schmidt, Die Rechte

Außerdem finden in der Region laut Freien Niedersachsen noch Montagsspaziergänge in Duingen, Coppenbrügge und Springe statt, die wir bisher nicht dokumentieren konnten.

 

UPDATE Fuchs Prozess

Wir berichteten: Im Mai 2020 wurde der damals 21-Jährige F. Fuchs festgenommen, weil er in einem Chat angekündigt hatte, Moscheen anzugreifen und Menschen umbringen zu wollen.

Wir begleiteten den Prozess, der damit endete, dass Fuchs in den meisten Punkten freigesprochen wurde. Verurteilt wurde er wegen Beleidigung und Bedrohung, freigesprochen wegen der Vorwürfe der Volksverhetzung, der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat in Tateinheit mit Terrorismusfinanzierung sowie der Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten.

Die Staatsanwaltschaft Celle hatte damals nach dem Urteil, das am 14. Januar gesprochen wurde, Revision eingelegt. Anfang Dezember hat der Bundesgerichtshof das Urteil bestätigt, damit ist es rechtskräftig und Fuchs freigesprochen. Er ist mittlerweile verzogen, es ist davon auszugehen, dass er in einer betreuten Wohngruppe lebt.

Es bleiben weiterhin Sachen ungeklärt, die nun wohl nie aufgelöst werden. Ein Handy, dass nicht gefunden wurde; Chats, die nicht ausgewertet wurden und vor allem ein verschlüsselter Ordner auf seinem PC, der nicht geöffnet wurde. (siehe Protokolle)

Fuchs psychische Erkrankungen werden nach wie vor als Grund für den Freispruch angeführt. Damit wird weiterhin das Bild des Rechtsterroristen als psychisch kranken Einzeltäters aufrecht gehalten. Dabei wissen wir, das psychische Erkrankungen nichts mit rechtsextremen Ideologien zu tun haben – und das es keine „Einzelfälle“ gibt.

Die Protokolle des Prozess

Protokoll,Anmerkungen zu Terrorprozess in Hildesheim.

In Hildesheim wurde gegen F. Fuchs prozessiert, der laut Anklage einen Terroranschlag auf eine Moschee geplant haben soll. Außerdem war er in mehreren Punkten wegen Beleidigung, Bedrohung und Störung des öffentlichen Friedens angeklagt.

Die genauen Anklagepunkte waren: 1-3: Beleidigung und Bedrohung einer damals 15-Jährigen Schülerin auf Facebook. Er schickte ihr ungefragt ein Foto seines Penis, woraufhin sie ihm schrieb, er solle sowas sein lassen und sie wäre nicht an Kontakt mit ihm interessiert. Darauf folgten heftige Beleidigungen, die sich auch gegen ihren Bruder und ihre Mutter richteten, als diese sich einschalteten. Schwerwiegende Beleidigungen wie Bedrohungen, die geeignet seien, Menschenwürde zu verletzen, so auch die Staatsanwältin. Wir werden den Wortlaut hier nicht ausschreiben, weil es wirklich widerlich ist.

Der vierte Anklagepunkt war die Beleidigung und Bedrohung einer Schwarzen Person über die Chatplattform Omegle. Auch hier waren es menschenverachtende Beleidigungen, die Staatsanwaltschaft sprach von Volksverhetzung.

Der fünfte Anklagepunkt war nun eben die Planung und Finanzierung eines Terroraktes. Bei einer Hausdurchsuchung werden Waffen (Armbrüste, Messer) gefunden. Dazu handschriftliche Notizen mit rechtsextremen Inhalten und einen Zettel mit der Überschrift „Ich werde einen Terroranschlag begehen“. Darauf befinden sich Aussagen, wie „Ich werde mindestens 20 Muslime umbringen“ und „Das wird das Bedeutendste in meinem Leben“, „1488 N****r killen“ und weiteres.

Der sechste Anklagepunkt war dann der Chat über Omegle, in dem angab, vor einer Moschee zu stehen und den Anschlag durchzuführen und zu streamen. Dort sagte er etwa auch, er sei „Krieger seines Landes“. Sein Chatpartner meldete dies damals der Polizei, die deswegen am nächsten Tag eine Hausdurchsuchung bei Fuchs durchführt und eben die Waffen etc. findet.

Im Prozess wurde ein psychiatrischer Gutachter gehört, Fuchs Betreuer, sein Vater, ein ehemaliger Lebensgefährte seiner Mutter, ihr jetziger Lebensgefährte, die Mutter selbst, die damals 15-Jährige Schülerin, Polizisten, die Beweismittel gesichtet hatten. Der Angeklagte selbst machte ebenfalls eine Aussage.

Die Verteidigungsstrategie war von Anfang an sehr deutlich. Fuchs wurde gezeugt als labiler, psychisch kranker junger Mann, mit Angst-und Zwangsstörungen, der keine sozialen Kontakte hatte und vollkommen im Internet aufgeht. Den Anschluss an die „richtige“ Welt hat er verloren, er ist ausgestoßen von der Gesellschaft und sucht nach Anerkennung im Internet. Er nimmt zu Bewältigung seiner psychischen Probleme Drogen und trinkt viel. Er trollt viel im Internet, aber das sind nur Dumme-Jungen-Streiche. Er interessiert sich für Geschichtliches und für verschiedene politische Ideologien, nicht nur rechts, auch links. Er selbst nennt sich liberal. Er habe eine muslimischen Freund, könne also kein Rassist sein.

Soweit so wenig überraschend. Dementsprechend fordert die Verteidigung in den letzten drei Anklagepunkten auch einen Freispruch, schließlich wären das alles nur Spinnereien gewesen, eh nicht ernstzunehmen und eher Ausdruck eines jugendlichen Gemüts.

Dies ist ja eine sehr bekannte Verteidigungslinie in solchen Fällen: Es war eh alles nicht ernstgemeint, aber selbst wenn, dann war der Angeklagte immer noch psychisch krank und nicht rechts.

Die Celler Generalstaatsanwaltsschaft, die eine eigene Abteilung zur Terrorismusbekämpfung hat, welche sich eben auch diesem Fall angenommen hat, sieht den Sachverhalt ganz anders.

Sie geht tatsächlich davon aus, das Fuchs einen Anschlag geplant hat, statt nur auf einem Zettel rumgekritzelt zu haben, sie geht davon aus, dass die Waffen auch genau dafür bestimmt sein könnten. Sie sieht auch in der Tat eine rechtsradikale Radikalisierung bei Fuchs, die zumindest angefangen hat. Sie glaubt Fuchs nicht, dass er hunderte Videos mit rechtem Propagandamaterial nur aus sachlichem, „wissenschaftlichem“ Interesse gespeichert hat, oder dass er „ebenso gut linksradikal“ sein könnte.

Dieser Beurteilung schließt sich sogar die Richterin an, die ebenfalls von einer rechtsextremen Radikalisierung durch das Internet ausgeht. Das bedeutet für sie aber nicht, dass Fuchs mit seiner Drohung eines Terroranschlags eine Gefahr bedeutet. Es scheint zu gelten: Rechts ist er, aber immer noch zu verwirrt/ zu jung/ zu krank um gefährlich zu sein.

Wir möchten die Bewertung des Internets als Medium hier betonen. Im Prozess ist oft aufgefallen, dass das Gericht sowie die Polizei kein ausgeprägtes Verständnis davon hat wie das Web funktioniert. Wie Gaming Communities aufgebaut sind, wie Omegle funktioniert, welche Rolle Imageboards spielen, welches Imageboard von welchen Leuten aufgesucht wird, was Trolls sind und welche Bedeutung Trolling hat. Aber auch einfach wie eine Spielekonsole arbeitet, gilt der Polizei als Expertenwissen.

Außerdem wollen wir hervorheben, wie sich die Beurteilung der Staatsanwaltschaft von der, der Richterin unterscheidet hinsichtlich auf die Frage, wann der öffentliche Frieden im Internet gestört ist. Die Staatsanwaltschaft sah den Straftatbestand der Volksverhetzung und der Störung des öffentlichen Friedens als erfüllt, obwohl dafür eigentlich gegeben sein muss, das solche Äußerungen entweder öffentlich geäußert werden oder aber mit der Veröffentlichung zu rechnen ist. Die Anklage sagt also, dass solche Äußerungen in einem anonymen Chat im Internet eben nicht rein privater Natur sind, weil man im Web immer davon ausgehen muss, dass sie vom Gegenüber öffentlich gemacht werden und das so eine Veröffentlichung im Internet potentziell auch bedeutet kann, das nicht 10 Menschen es mitbekommen, sondern 10.000.

Die Richterin sieht dies nicht als gegeben, sie beurteilt solche Chats als privaten Austausch und hält es für unwahrscheinlich, das das Gegenüber, dem menschenverachtende Beleidigungen geschrieben werden, diese an die Öffentlichkeit bringen könnte.

Die Bedeutung des Mediums Internet für diesen Prozess ist maßgeblich für das Urteil und da scheint es in der Rechtssprechung keinen Konsens und wenig Wissen über dessen Funktion zu geben – ja, das Internet ist immernoch Neuland.

Drei Fragen, deren Beantwortung potenziell enorm aufschlussreich wäre, wurden im Prozess nicht einmal gestellt, weswegen wir sie hier noch einmal hervorheben wollen.

1. Der Angeklagte hat in verschiedenen Gaming Partys gespielt. Es wurde nicht überprüft, mit welchen Accounts er interagierte, ob dort Dopplungen auftreten. Eine solche Untersuchung hätte Einblick in Fuchs digitale Netzwerke geben können. Denn selbst wenn es kaum Anhaltspunkte gibt, das Fuchs außerhalb des Internets mit Rechtsextremisten bekannt sein könnte, ist bekannt, dass es eben auch im Internet rechte und rechtsextreme Netzwerke gibt.

2. Der Chat, in dem Fuchs schrieb, er stehe vor einer Moschee, bereit zum Anschlag, wurde laut ihm von einem Mobiltelefon aus geführt. Hier wurde im Prozess nicht nachgefragt und ein Mobiltelefon wurde auch in der Beweissicherung auch nicht untersucht. (S. 19)

3. Es wurde in seinem Zimmer ein Notizzettel mit dem Vermerk „True Cript“ und einer langen Zahlenkombination gefunden. Dies wurde im Prozess nur nebenbei erwähnt. Eine solche Datei kann man auf der Festplatte so abspeichern, dass sie nicht gefunden werden kann. Wurde die Festplatte des Laptops auch nach so einer verborgenen Datei durchsucht? (S.13)

Die Staatsanwaltschaft hat Revision eingelegt.

 

Die Protokolle der Prozesstage sind hier als PDF vorhanden.

Aufgewacht Hildesheim

Was sind das für Leute?

In Hildesheim findet sich seit dem 18.04.20 jeden Samstag ein Sammelsurium an Menschen zu regelmäßigen Kundgebungen um 10 Uhr auf der Lilie zusammen. Die Menschen kann man als durchaus heterogene Masse beschreiben. Was sie alle vereint ist, dass sie sich über die Maßnahmen der Regierung aufregen, die getroffen wurden um die Ausbreitung der Covid19 Pandemie zu verlangsamen. Im Großen und Ganzen fanden sich bei den bisherigen Aktionen einige versprengte unorganisierte Linke, esoterische, religiöse, verschwörungsideologische, liberale oder auch rechte Leute ein. Die Redebeiträge drehten sich zumeist darum, dass Maßnahmen zu hart seien, eine Impfpflicht dem Faschismus gleich komme, alles eine große Lüge von den Mächtigen sei, niemand mehr in die Kirche gehe und die Medien nicht wahrheitsgemäß berichten würden. Im Laufe der Zeit hat sich Organisationsstruktur geändert und sich mittlerweile ein Kernteam von etwa 15 Leuten gebildet, die vor allem als rechts und verschwörungsideologisch einzustufen sind.

NS-Relativierung

Diesen antidemokratischen Nährboden wussten Rechte von Anfang an zu nutzen. Bei der ersten Kundgebung am 18.04. fiel ein Mann auf, der mündlich und schriftlich in Flyerform Propaganda einer rechtsesoterischen Sekte um den Südtiroler Heinz Grill verbreitete. Er brachte den Vergleich an, dass zu NS Zeiten Millionen von Körpern ausgelöscht wurden und nun die Zeit sei, in der die Regierung Millionen Seelen umbringen würde. Eine Relativierung des Holocaust, an der sich nicht gestört wurde. Der Versammlungsleiter Jens Stenzel aus Sibbesse griff nicht ein und widersprach auch nicht.
Im Gegenteil stellt auch er, der er stellv. Vorsitzender der Hildesheimer FDP war, in einem Interview mit der Hildesheimer Allgemeinen Zeitung den Vergleich auf, dass die jetzige Situation gleich derer wäre, in der das Ermächtigungsgesetz erlassen wurde und Hitler sämtliche Machtbefugnisse gegeben wurden. In der Orgagruppe „Aufgewacht Hildesheim“ zieht ein User einen weiteren Vergleich zur NS-Zeit, bei dem man nicht lang suchen muss um den Antisemitismus zu erkennen: So sieht er in einer kommenden Impfpflicht die Auswirkung, dass jeder Verweigerer der Impfung einen Judenstern zu tragen habe.

Auftritt von Johannes Welge

Bei der zweiten Kundgebung von „Aufgewacht Hildesheim“ am 02.05.2020 auf der Lilie trat der bekannteste Hildesheimer Rechtsextreme Johannes Welge, seines Zeichens Vorsitzender des Kreisverband Hildesheim/Braunschweig der faschistischen Partei „Die Rechte“ als Redner auf. Er verpackte die polizeilichen Maßnamen gegen die extreme Rechte, wie zum Beispiel das Verbot geplanter Naziaufmärsche am 1.Mai, als Unterdrückung gegen kritische Stimmen. Darüber hinaus erntete er Applaus als er kritisierte, dass seinen Kameraden von DIE RECHTE Einbeck vor Kurzem vom SEK die Wohnung gestürmt wurde und Waffen sichergestellt wurden.

Jens Stenzel mit Johannes Welge.

Spätestens hier hätte man die Gesinnung von Welge bemerken können. Stenzel, der zwar zum einen gegenüber der HiaZ bekundete, sich im Vorfeld um der Möglichkeit „Extremisten“ können die Kundgebung für ihre Zwecke nutzen Gedanken gemacht zu haben, ihm wäre Welge aber andererseits gänzlich unbekannt gewesen. Was dabei merkwürdig erscheint, ist dass Johannes Welge mit seinem Facebookaccount Wohannes Jelge einige Tage vor der Demo mit Stenzel in Kontakt trat und ihm anbat, eine Anlage für die Kundgebung zu besorgen.

Im Nachgang wurde von der antifaschistischen Gruppe AFK37 aus Hildesheim eine Presserundmail verfasst und der Vorfall auf Facebook bekannt gemacht. Er schlug hohe Wellen und die Hiaz befragte den Organisator Stenzel umgehend nach seiner Einschätzung. Dieser beteuerte, keine Propaganda in Welges Rede gesehen zu haben und kommentierte den Vorfall im Allgemeinen mit einem „Was ist daran so schlimm?“.

Die Rolle der FDP

Besondere realpolitische Brisanz bekommt die ganze Geschichte durch die parteipolitische Zugehörigkeit Jens Stenzels zur FDP. Er meldete die Versammlung zwar als Privatperson an, jedoch übernahmen auch Parteikollegen wie der Vorsitzende Henrik Jacobs Ordnerfunktionen bei der Kundgebung. Nach der ersten Kundgebung, bei dem sich bereits verschwörungstheoretische Inhalte und die starke Nähe zu Impfgegnern zeigte, äußerte die Hildesheimer FDP in einer Erklärung an die Hiaz sogar noch vollste Unterstützung der Aktivität Stenzels und der Kundgebungen. Nach dem Bekanntwerden des Auftreten eines Faschisten bestand das Krisenmanagement der FDP zunächst darin, sich in einer Mini-Erklärung von der Kundgebung und Rechtsextremismus zu distanzieren. Nach weiterem öffentlichen Druck wurde nach Tagen des Schweigens die Entscheidung verkündet, dass Jens Stenzel von all seinen Parteiämtern zurücktrete. Eine Rettung in letzter Sekunde könnte man sagen.

Übernahme durch Verschwörungsideologen und weitere Aktionen

Rocco, Chef der Truppe, im Gespräch mit dem Einsatzleiter

 

Nachdem Stenzel und die FDP für die Orga nun aus dem Rennen sind, übernahmen besonders engagierte Kundgebungsteilnehmer*innen die weitere Orga der Kundgebungen. Als Kopf der Gruppe nach Innen und Außen gilt der Student Hendrik Seege (alias Rocco).

Um ihn herum gibt es ein etwa 15 köpfiges Orgateam mit internem Telegram Chat. Eine Aktion, die in der internen Gruppe vorbereitet wurde, sorgte nun in Hildesheim für Aufsehen.

Tec auf Kundgebung von Aufgewacht Hildesheim

So betrat das Mitglied Tecwyn Williams (alias Tec) der Orgagruppe am 13.05.2020 einen Nettomarkt und setzte sich demonstrativ keinen Mund-Nasenschutz auf. Er fing eine Diskussion mit Personal und Kundschaft des Ladens an und verteidigte sein egoistisches Handeln politisch mit dem Grundgesetz.
Eine weitere Aktionsform der Gruppe sind gemeinsame öffentliche Meditationen mit Klangschale und „tief in die Augen sehen“, welche in regelmäßigen Abständen auf dem Marktplatz stattfinden. Dazu gab es in den letzten 2 Wochen eine Dauermahnwache, täglich von 10.00 – 17.30 Uhr auf der Lilie.
Es bleibt zu sagen, dass das Highlight der Woche die

 

Torsten Paulitz ist bei jeder Kundgebung als Ordner tätig

samstagliche Kundgebung um 10 Uhr auf der Lilie ist. Werbemittel und Infrastruktur für die Kundgebungen werden unter Anderem auch von Torsten Paulitz, welcher Betreiber einer Hildesheimer Werbefirma ist, beigesteuert. Dieser fällt auf Facebook durch extrem rechte Hetze auf und ist bei den Aufgewacht Kundgebungen aggressiv gegenüber Presse und Gegenprotest aufgetreten.

 


Extrem rechte Inhalte im Chat

Uns ist es gelungen mehrere Wochen den internen Chat der Gruppe mitzulesen. Dabei sind extrem Rechte und verschwörungsideologische Inhalte unkommentiert, bzw. sogar mit Zustimmung der anderen Gruppenmitglieder geteilt worden.

So fordert der Chef der Truppe, Rokko, bei der Kundgebung die Antifa zu verprügeln und bekam darauf sehr amüsierte, positive Reaktionen. Das geht wohl darauf zurück, dass antifaschistische Netzwerke überall und auch in Hildesheim auf die extrem rechten Verstrickungen der Verschwörungstheorie-Demos hinweist.
Weiter wurde fantasiert, wie man, wenn die „Bewegung“ erstmal stärker wäre, „Merkel sprengen“ könnte. Auch hier gab es nur Zuspruch aus der Gruppe.

Antisemitische Äußerungen werden sowohl in den öffentlichen Telegramgruppen, als auch in der internen Planungsgruppe geäußert. Da ist dann die Rede von den „okkultistischen Mathematikern von der Ostküste der USA“, ein klassisches Bild in der Vorstellung von Antisemiten. Weiterhin werden auf allen Kanälen Rechte wie Ken Jebsen als seriöse Quellen empfohlen.

Rocko, der führende Kopf der Gruppe, wollte sich auch auf Nachfrage nicht eindeutig von Rechtsextremen abgrenzen. Solang sie keine Parteifahne hätten, wären sie willkommen, da sie die Masse vergrößern würden. „Aufgewacht Hildesheim“ ist also ganz eindeutig rechtsoffen, hat teilweise selbst rechte und klar antisemitische Inhalte. Diese Gruppe, die von sich selbst behauptet, sie seien „nicht links oder rechts, wir sind Menschen“, ist durchsetzt von Menschen mit geschlossen rechtem, antisemitischen Weltbild, wie eine kurze Facebook Suche ergibt. Dazu sind die geäußerten Gewaltphantasien beunruhigend.
Selbst wenn jemand wie Welge dort nicht mehr auftritt, erkennen wir die Gruppe und die Veranstaltungen als Problem.

Wir werden die weiteren Aktivitäten der Gruppe weiter aufmerksam verfolgen und fordern alle Antifaschist*innen in Hildesheim auf, sich gegen Antisemitismus, NS-Relativierung und rechtsextreme Propaganda gerade zu machen.